Texttafeln fassen das Weltgeschehen zusammen. Der deutsche Videotext wird am Montag 40 Jahre alt. Am 1. Juni 1980 startete der Dienst als Test bei ARD und ZDF. Vor Internet und Handy gab es das alles im Fernsehen.
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Ab den 1990er Jahren wurde im Videotext einiger Privatsender auch Werbung für Sex-Hotlines geschaltet, das textliche Pendant zu “Call! Ich! Call!”-Werbung. Mit seitenstarken Panels wurden einsame Zuschauer zu teuren Anrufen verführt. Am anderen Ende der Leitung wird gestöhnt, manchmal auch vom Band.
“Heiße Hausfrauen stöhnen… in dein Ohr, bis du kommst” und “Gierige Schulmädchen ab 18 machen Liebe”. Hören Sie … auf die Körper der Frauen. In den Tagen des Game Boy identifizierten Jugendliche und Männer Pixel durchweg als nackte Frauen.
Dieses Sex-Segment prägte das Erscheinungsbild des Teletextes. Die “tageszeitung” (“taz”) schrieb 1995, der Teletext habe “nur Hotlines für alleinstehende weiße Jungs”.
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Wie ist das heute? Pixel-Anzeigen? Ihr Stil? Zum Teletext-Jubiläum haben wir die Teletext-Erotik von RTL II, Sat.1 und Sport1 unter die Lupe genommen (siehe Bildergalerie). Umgeschaltet?
Videotext-Erotik im Jahr 2020
Videotext-Erotik im Jahr 2020
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Kurze Nummern, hohe Preise
Trude, Nele, Jule, Susi, Vera, Nina, Ulla: Diese Namen dominieren derzeit den Bereich zwischen 600 und 899 Seiten. Sie sind meist deutsch und kurz. Im Videotext gibt es 25 Zeilen zu 40 Zeichen pro Bildschirmseite, das ist also nicht ungewöhnlich. Bei wöchentlichen Buchungskosten im zweistelligen bis vierstelligen Bereich muss der Platz vernünftig verteilt werden. Manuela ist Manu und Monica ist Moni.
Die sechsfarbigen plus schwarz-weißen Standardthemen sind Frauenkörper und Brüste. “Feurige Sexpause in der Spielpause: 15 Minuten live für nur einen Euro”, heißt es im Sport1-Text für einen Fußballer.
Die Teletext-Werbung hat sich im Laufe der Jahre nicht wesentlich reduziert, aber das meiste wirkt veraltet. Ästhetisch und inhaltlich erinnern sie an die Jahrtausendwende, als Sexdienste noch die inzwischen abgeschaltete 0190er-Vorwahl hatten und 3,63 D-Mark pro Minute verlangten, nicht 0,99 oder 1,99 Euro pro Minute. Wenn Eurosport über “Insta-Küken und Selfies” diskutiert, fühlt es sich veraltet an.
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Der Werbespot fügt hinzu: “Sexy Luxusdamen machen sich jetzt für Sie nackig.” Wie wirkt sich das auf den Sender aus?
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Der Werbespot behauptet: “Sexy Luxus-Damen werden jetzt für dich nackt.” Wie wirkt sich das auf den Sender aus? 1.
0,99 Euro pro Minute für “Spar dich geil!”
Kosten. 0,99 Euro pro Minute – für Anrufe ins Festnetz! – werden im Jahr 2020 mit Slogans wie “Spar dich geil!” beworben, als wäre der Sexkontakt-Kosmos vor 20 Jahren schockgefrostet worden und es gäbe nicht interessantere und günstigere sexy Möglichkeiten. Webcam-Damen und -Männer mit interaktiven Video-Feeds sind faszinierend. OnlyFans, wo sich intime Flirts ausziehen, bietet preistransparente Monatsmitgliedschaften an, statt wie diverse Teletext-Anbieter 1,49 Euro pro SMS für pornografische Bilder zu verlangen.
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Unbekannt, wie viel die Sender an Teletext-Sex verdienen. Die Goldgräberzeit ist wohl vorbei. Sport1, das beim DSF erfolgreich war und nun Hunderte von Panels dem Thema widmet, glaubt, dass Erotik- und Dating-Anbieter “eine bedeutende Rolle im Teletext-Umsatz” spielen. Stammkunden buchen “kontinuierlich über Jahre hinweg”, hieß es.
Erotik-Foto-Abos: Erlöse von Intimflüssen Thomas Kreienbrink
Erlöse von intimen Fließtexten
Sport1 nutzt seinen eigenen Videotext vor allem für Sportveranstaltungen. Neben informativen Seiten werden auch pornografische Seiten immer beliebter.
Sex und Sport überschneiden sich auch anderswo. RTL, Vox und RTL II nutzen die Tafel 777 als Fußballticker; die nächsten Seiten sind pornografisch.
Eine Sprecherin der Mediengruppe RTL behauptet, sexuelle Werbung im Videotext spiele für ihr Unternehmen “schon lange keine Rolle mehr” und im Marketing sei das Thema “seit Jahren nicht mehr umsatzrelevant”.
22.00 Uhr ist schlüpfrig
RTL und Vox, die beide nach 22 Uhr Erotiksendungen veröffentlichen, werben mit “Riesentitten” und “speziellen Sexdiensten”, mit “alten Huren (45-78)”, “perversen Hausfrauen” und “1A Blowjobs”: In 60 Se”
RTL II, das ganztägig Hotline-Werbung zulässt, ändert, wann RTL und Vox Sexwerbung ausstrahlen. Aus “heißen Damen” werden “tabulose Schlampen”, aus “heißen XXX-Kontakten” werden “geile Sexkontakte”. Aus dem “freizügigen” “Uschi, 24, total heiß (…) hier schwitzt jeder” wird nachts “Uschi, 24, total unrein (…) hier kommt jeder an”.
Jugendschutzrichtlinien stecken dahinter; nach 22 Uhr darf es deutlicher sein. Nächtliche Pornos, wie erigierte Penisse oder explizite sexuelle Darstellungen, sind nicht erlaubt.